Die Geistermarina von Argostoli

Ich kann inzwischen gut nachvollziehen, dass Odysseus irgendwann die Nase voll hatte vom umhertingeln – und dass er von seiner Frau nicht mehr erkannt wurde. Nach den Erlebnissen der letzten 24 Stunden habe ich mich selbst im Spiegel kaum mehr erkannt. Und Stefan sieht ja sowieso sehr wild aus, den erkennt eh keiner mehr. Nach einem ziemlich wilden Ritt unter Motor gegen eine total besch**** Welle (sorry, anders kann man es nicht ausdrücken) haben wir also todmüde Argostoli erreicht. Hier wurde vor einigen Jahren mit Hilfe diverser EU-Fördermittel eine Marina gebaut (und ein Kreuzfahrtterminal, eine Brücke wurde renoviert und und und). Diese Marina gehört dem griechischen Staat und sieht von oben ganz interessant aus: Die Stege sind fertig, die Festmacher-Poller montiert – nur mehr ist nicht passiert. Die Infrastruktur wurde nie fertiggestellt. Wenn man die Marina mal genauer anschaut, versteht man auch, warum: Die Haupt-Windrichtung in der Bucht von Argostoli ist Nord bis Nord-Ost. Am Nachmittag gibt es Fallböen die dann eine Welle aufbauen. Und er Marina-Eingang ist genau auf der Seite ziemlich offen. Außerdem ist die Marina für Boote bis maximal 35 Fuß konzipiert – da fahren zwar einige rum, die Mehrheit ist aber 40+

Noch schwimmts...
Noch schwimmts…

Wer soll also in diese Marina fahren und dafür Geld bezahlen? Niemand, der weiß, dass er gegenüber am Stadtkai kostenlos liegen kann. Und deswegen findet sich auch kein Betreiber für diese Marina – und der Verfall beginnt. Die Holzbeplankung der Stege ist zum Teil weg, zum Teil fehlen nur die Schrauben. Die Festmacher rosten vor sich hin. Die T-Stege brechen. Wir lagen zusammen mit 9 weiteren fahrtüchtigen Yachten in der Marina – und unzähligen Leichen. Ein bisschen kommt mir die Marina vor wie die Body-Farm in den USA: Hier werden Leichen in der Natur ausgelegt, um Verweseungsprozesse wissenschaftlich nachvollziehen zu können. Das könnte man hier an Schiffs-Leichen machen.

Ein Boot aus Moldawien!
Ein Boot aus Moldawien!

In die Marina werden viele Boote und Yachten gefahren, um sie dort sterben zu lasssen. Wie Skelettteile ragen Rümpfe in den Himmel, viele an Land liegende Yachten sind derart verrottet, dass man sicher weiß: Diese Yacht wird nie wieder schwimmen. Und auch im Wasser liegen einige Gerippe, zum Teil fest vertäut mit Ruckdämpfern. Man hört beinahe, wie die Stahlyachten rosten.

Neben einigen Freizeitbooten liegen auch 2 Frachter und eine alte Fähre in der Marina und gammeln vor sich hin. Auf der weit hinter der Marina entlangführenden Straße (die auch durch EU-Fördergelder mitfinanziert wurde) fahren abends hin und wieder ein paar Autos. Die Lichter der Autos scheinen dann durch die Fenster der im Wasser liegenden Frachter und Fähren – so als würden Geister durch die Schiffe schweben und hinter einigen Fenstern Licht machen. Ich habe jetzt mal aufgehört, meinen Krimi zu lesen und habe zu einem Liebesroman gewechselt – man muss seine Nerven ja nicht noch mehr strapazieren.

Barbara, die Schildkröte
Barbara, die Schildkröte

In Argostoli gibt es eine Kolonie unechter Karett-Schildkröten (Caretta Caretta) – und die schwimmen immer wieder im Hafenbecken herum. Eine Umweltorganisation mit vielen freiwilligen Helfern zählt die Schildkröten und untersucht das Verhalten – deswegen weiß ich auch, dass wir eine Schildkröte gesehen haben, die 33 Jahre alt ist und Barbara heißt 🙂

Abends haben wir dann Desirée und Elias kennengelernt. Die beiden sind mit einer Hallberg Rassy unterwegs. Und bei einem Gläschen Retsina (den ersten, den ich jemals getrunken habe) sagt Désiree so: „Heute habe ich mir überlegt, warum ich so fertig bin – und da ist mir aufgefallen: Wir fahren seit Wochen immer gegen Wind und Welle“. Hah, bin ich also nicht alleine mit meiner Abneigung gegen Am-Wind-Kurse.

Und bevor die Geister aus den sterbenden und verrottenden Schiffsleichen auf unsere Sundowner überspringen, kaufen wir noch Vorräte, Wasser und Diesel und planen „die große Überfahrt“

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2 Kommentare

  1. Das hat im ionischen Meer System, es gibt noch manche Marina, die den Wellenbrecher falsch ausgerichtet hat. Eines der besten Beispiele ist Katakalon auf dem Peloponnes. Dort ist gegen Süden offen und die großen Winterstürme kommen dort aus Süden.
    Nachdem im ersten Winter alle betonierten Schwimmstege zusammen gedonnert sind, wurden sie rausgenommen und nie mehr geflickt.
    Auch ein weiterer Schiffsfriedhof ist Trizonia im Golf von Korinth. Dort aber vor allem wegen gestrandeter Existenzen.

    • Man fragt sich schon manchmal, ob da vorher mal einer drüber nachdenkt, wie so eine Marina gebaut werden soll und vor allem wo…
      In Ragusa hatten wir einen Fußweg von über 1 Kilometer zum Klo – wer denkt sich denn sowas aus?

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